Dissertation G. Kasperek: Zusammenfassung

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Zitiervorschlag:

KASPEREK, G. (1998): Pflanzenökologische Untersuchungen im mittleren Rur-Tal (Nordrhein-Westfalen): Vegetation und Vegetationsdynamik unter besonderer Berücksichtigung von Fluktuationen in Dauerflächen. 344 S. (Archiv Naturwissenschaftlicher Dissertationen, Band 6.) Martina-Galunder-Verlag, Wiehl.

Zusammenfassung

Im Rur-Talbereich in der Niederrheinischen Bucht (Nordrhein-Westfalen) sind im Rahmen eines Biomonitoring-Programmes pflanzensoziologische Untersuchungen zur Feststellung des Inventars an Pflanzengesellschaften und zur Erfassung der Vegetationsdynamik in Dauerflächen (DF) durchgeführt worden. Der Untersuchungsraum umfaßt zwölf einzelne Untersuchungsgebiete in der Aue des mittleren Rur-Tales sowie ein Gebiet im unteren Wurm-Tal mit einer Gesamtfläche von 762 Hektar.

Die bei den Untersuchungen festgestellten 63 Pflanzengesellschaften auf der Stufe der Assoziation werden in Text und Vegetationstabellen dargestellt. In den Untersuchungsgebieten flächenmäßig bedeutsam sind vor allem Gesellschaften, die den Verbänden Carpinion, Alno-Ulmion und Cynosurion zuzuordnen sind: das Stellario-Carpinetum stachyo-typicum besiedelt die höchstgelegenen Niveaus; das Pruno-Fraxinetum ist die Charaktergesellschaft der tiefer liegenden naturnahen Bereiche der Rur-Aue; dem Lolio-Cynosuretum sind ausgedehnte Intensivgrünland-Flächen zuzuordnen. Mit kleinflächigeren Beständen treten auch Gesellschaften der Verbände Phragmition, Magnocaricion, Agropyro-Rumicion, Aegopodion und Senecion fluviatilis regelmäßig in den Untersuchungsgebieten auf. Naturferne Pappelforsten sind häufig anzutreffen; sie können in fünf Untereinheiten gegliedert werden.

Vegetationskundlich besonders bemerkenswert sind Erlen-Quellwald-Bestände, die dem Fraxino-Alnetum zugeordnet werden. Sie stehen in standörtlichem Kontakt mit dem Apietum nodosi und dem Chrysosplenietum oppositifolii. Solche Gesellschaften sind, ebenso wie das Carici elongatae-Alnetum, auf wenige Untersuchungsgebiete beschränkt.

Zum langfristigen Monitoring von Vegetationsveränderungen sind im Jahr 1989 insgesamt 100 Dauerflächen (DF) angelegt und bis 1995, teilweise auch bis 1996 jährlich untersucht worden. Die vegetationskundlichen Aufnahmen sind nach einer neunstufigen Artmächtigkeits-Skala durchgeführt worden. Grundwasserstands-Messungen an den DF erfolgten monatlich.

Im Untersuchungszeitraum fanden keine wesentlichen anthropogenen Eingriffe statt, die größere Flächenanteile in den Untersuchungsgebiet erfaßt hätten. Daher bieten die DF-Untersuchungen gute Gelegenheit zum Studium von quasi-natürlichen Fluktuationen der Vegetation, insbesondere zu deren Quantifizierung. Es können die gesellschaftsspezifischen Unterschiede in der Schwankungsbreite verschiedener Parameter im Verlauf von Fluktuationen dargestellt werden. Die Kenntnis des jeweils gesellschaftstypischen normalen Schwankungsbereiches ist wichtig, um eventuelle gerichtete Vegetationsveränderungen im Rahmen des Biomonitoring frühzeitig diagnostizieren zu können.

Die zentrale Aufgabe bei der Erfassung und Bewertung der Vegetationsdynamik in den DF ist die Abgrenzung von Fluktuation und Sukzession. Hierzu wird ein Katalog von Kriterien entwickelt, der verschiedenartige vegetationskundliche Merkmale umfaßt. Nach diesem Katalog wird jede DF hinsichtlich des Typs der Vegetationsdynamik im Untersuchungszeitraum klassifiziert.

Für jede DF wird das Ausmaß der Vegetationsdynamik durch "rates of change" quantifiziert. Hiermit werden bisherige Ansätze, "Sukzessionsraten" zu bestimmen, fortgeführt und auf Fluktuationen ausgedehnt. Dafür werden als Basis-Parameter Bestandszeigerwerte nach Ellenberg, Artenzahlen, Diversität und Evenness berechnet, um aus ihren Spannweiten über den Untersuchungszeitraum verschiedene Varianten von "rates of change" abzuleiten. Weitere Varianten ergeben sich aus Ähnlichkeitsberechnungen nach Soerensen und Czekanowski, sowie aus Arteninventar und Relativem Inventarwandel.

Die Gruppe der DF, in denen lediglich Vegetationsdynamik vom Typ der Fluktuationen festgestellt worden sind, umfaßt 71 DF; diese Gruppe steht im Zentrum der Betrachtungen. Als Orientierungswerte des gesellschaftstypischen Ausmaßes von Fluktuationen werden auf der Basis pflanzensoziologischer Verbände Mediane der für Einzel-DF berechneten "rates of change" angegeben. Zwischen den untersuchten Gesellschaften können erhebliche Unterschiede im Ausmaß der gesellschaftstypischen Fluktuationen festgestellt werden. In Wäldern sind allgemein nur geringe Vegetationsschwankungen zu verzeichnen, doch besteht dort ein deutlicher Gradient zunehmender Dynamik parallel zum Feuchtegradienten. Röhrichte und Großseggenriede zeichnen sich durch starke Fluktuationen aus, in beweideten Flutrasen werden Extremwerte erreicht. Für "rates of change" auf Basis des Parameters Evenness beispielsweise ergeben sich für Carpinion, Alno-Ulmion und Salicion Werte kleiner als 20, die gehölzfreien Vegetationseinheiten dagegen erreichen gesellschaftstypische Werte von zumeist deutlich größer als 20.

Der Vergleich der berechneten "rates of change" zwischen den beiden Kollektiven "DF mit Sukzession" und "DF mit Fluktuation" ergibt Hinweise darauf, wie gut die verschiedenen Basis-Parameter für die Abgrenzung von Fluktuation und Sukzession geeignet sind. Aufgrund der jeweiligen gesellschaftstypischen Vegetationsdynamik erweisen sich, je nach Gesellschaft, verschiedene Varianten von "rates of change" als aussagekräftig. Beispielsweise sind in Grünland- und Flutrasen-Gesellschaften Ähnlichkeitsindizes nach Czekanowski weniger geeignet als solche nach Soerensen, weil die gesellschaftseigene Vegetationsdynamik bereits im Verlauf von reinen Fluktuationen durch starke Schwankungen der Artmächtigkeiten gekennzeichnet ist. Da viele der festgestellten Vegetationsveränderungen auf Veränderungen des Standortfaktors Feuchte beruhen, sind die aus den Feuchtezeigerwerten nach Ellenberg berechneten Parameter besonders geeignet; dies liegt jedoch in den spezifischen Eigenschaften des vorliegenden Datenmaterials begründet. Von allgemeiner Bedeutung über diese Untersuchung hinaus ist, daß sich die Eignung von Ähnlichkeitsindizes zur Indikation von Sukzessionen in allen untersuchten Gesellschaften als besonders gut erweist.

Der Witterungsverlauf hat erheblichen Einfluß auf die Fluktuationen in den DF; dieser Einfluß wird jedoch häufig durch Wirkungen anderer Faktoren und durch methodische Schwierigkeiten verschleiert. Die zentrale Frage lautet: wie können die komplexen Beziehungen zwischen Witterungsverlauf und Vegetationsentwicklung verdeutlicht werden? In der vorliegenden Arbeit werden Niederschlagsdaten mit feuchteabhängigen Bestandszeigerwerten in Beziehung gesetzt. Hierzu wird das methodische Konzept der "Einflußzeiträume" entwickelt. Der Einfluß von Niederschlagsanomalien auf die Fluktuationen in DF wird anhand von Ganglinien-Vergleichen verdeutlicht.

Die Bestimmung von "effektiven Einflußzeiträumen" ergibt, daß die von vielen Autoren herangezogene "Vegetationsperiode" keine allgemein geeignete Bezugsbasis darstellt, da die Niederschläge im Einflußzeitraum "Vegetationsperiode" nur einen geringen Einfluß auf feuchteabhängige Bestandszeigerwerte haben. In den Untersuchungsgebieten erweisen sich die Niederschläge des Winterhalbjahres (hier definiert als Dezember bis Mai) im Vergleich zu den Niederschlägen der "Vegetationsperiode" als pflanzenökologisch wesentlich bedeutsamer. Auch Berechnungen von Einflußzeiträumen auf Basis von einem oder mehreren Vorjahren ergeben ökologisch gut interpretierbare Koinzidenzen mit Fluktuationen, und weisen damit auf langfristige Auswirkungen von Niederschlagsanomalien auf vegetationskundliche Parameter hin.

In 29 DF sind Sukzessionen festgestellt worden. Es werden mögliche Ursachen dieser Sukzessionen erörtert. Eine wichtige Rolle spielen wahrscheinlich zyklische Witterungsschwankungen; nach den "nassen achtziger Jahren" bildet der gesamte Untersuchungszeitraum seit 1989 eine vergleichsweise trockene Phase, und einige Sukzessions-Erscheinungen können als Folge dieser Niederschlagsschwankungen interpretiert werden. Theoretische Aspekte solcher Witterungszyklen für die Abgrenzung von Fluktuationen und Sukzessionen werden diskutiert.

Aus den Ergebnissen der Untersuchungen an DF werden Empfehlungen zur Methodik von pflanzensoziologischen Beweissicherungsverfahren abgeleitet. In der Anfangsphase langfristiger Untersuchungen ist ein jährlicher Rhythmus der vegetationskundlichen Untersuchungen unbedingt zu empfehlen. Berechnungen von Ähnlichkeitsindizes sollten als Standard zu den Auswertungsmethoden gehören. "Feuchtezahlen-Indizes", die in der vorliegenden Arbeit mit den herkömmlich berechneten (mathematisch nicht ganz einwandfreien) Bestandsfeuchtezahlen verglichen werden, erweisen sich als weniger aussagekräftig. Die Bestandsfeuchtezahlen sind selbst bei Daten aus Dauerflächen, die mit der relativ groben Braun-Blanquet-Skala bearbeitet werden, durchaus geeignet, den Witterungsverlauf sehr fein nachzuzeichnen.


Copyright: 1998 Martina-Galunder-Verlag, Wiehl, Germany

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Letzte Aktualisierung dieser Seite: 20.12.2003