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Wagenscheins genetischer Unterricht

Prüfungsprobleme

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Einleitung

 

Grundlagen

 

Anwendung

 

Besonderes

 

Literaturhinweis

 

Das Lernziel: Gründliches Verstehen statt viel Halbwissen

 

Die Lehrerin oder der Lehrer (wegen der besseren Lesbarkeit wird im Weiteren nur ein Geschlecht für beide genannt) weckt mit einem erstaunlichen Naturphänomen (z.B. dem Halbmond) den Forschungstrieb der Klasse. Es soll aus der Natur stammen (also kein Zeigerausschlag eines Voltmeters), denn Physik ist eine Naturwissenschaft, Labor und Mathematik sind Hilfsmittel. Es soll ein Phänomen sein, d.h. ohne Hilfsmittel, die mit der Physik herstellbar sind, wahrnehmbar. (Also nicht die Pendelgesetze mit einer Pendeluhr erforschen.)

Da die Klasse ihre Forschung ohne Hilfe der Wissenden betreiben, wächst in ihnen das Wissen wie ein Baum, darum die Bezeichnung genetisch. Bei einem solchen Forschen benutzt man die natürliche Sprache, das Fachwort kennt man (noch) nicht. Das hat den positiven Nebeneffekt, dass man über Physik ohne Fachworte, also dem Laien verständlich sprechen kann.

 

Das Gegenteil ist der informative Unterricht nach dem Schema: Unbegreifliche Genies (so Frankensteins) haben auf unbegreifliche Weise entdeckt, dass z.B. alles aus Atomen besteht. Sie haben das den Lehrern gesagt, und die geben das "kindgemäß" (z.B. die Elektronen als gelbe Zwerge) an die Schüler weiter. Oft wird dann etwas Dunkles durch etwas Dunkleres erklärt, wie die Alchemisten sagten: "Obscurum per obscurius". Ladung wird z.B. durch Elektronenüberschuss erklärt. Falls dann die Eigenschaften, z.B. die Ladung des Elektrons geschildert werden, hätte man einen Kreisschluss. Wer mit Atomen erklären will, muss genügend Atomphysik können, um es richtig machen zu können.

 

DerRömischeBrunnen

Der römische Brunnen

 Conrad Ferdinand Meyer

 

Aufsteigt der Strahl und fallend gießt

Er voll der Marmorschale Rund,

Die, sich verschleiernd, überfließt

In einer zweiten Schale Grund;

Die zweite gibt, sie wird zu reich,

Der dritten wallend ihre Flut,

Und jede nimmt und gibt zugleich

Und strömt und ruht.

 

Der Römische Brunnen ist ein schönes Gleichnis für den informativen Unterricht: Aus unbekannter Quelle steigt die Informationsflut hoch, die dann über das Niveau der Hochschule und der Schule ins allgemeine Bewusstsein fließt. Trotz dieses schönen Bildes bin ich kein Anhänger, wenn der Unterricht nur informativ abgehalten wird.

 

Welchen Forschungsweg die Kinder einschlagen, ist offen. Es gibt wenigstens einen erfolgreichen, den historischen. Der muss aber nicht der beste aller genetischen Wege sein. Falls nun die Kinder sich in eine Scheinlösung verrennen, z.B. der Mond ist nur halb zu sehen, weil der Erdschatten auf ihn fällt, so soll der Lehrer durch Fragen das Scheinwissen zerstören, z.B. "Wohin fällt Dein Schatten und der der Erde? Und wo steht der Mond?". Da das Sokrates getan hat (und deswegen vergiftet wurde), nennt man die Methode sokratisch. Es also nicht so, dass im genetischem Unterricht der Lehrer durch Fragen die Forschung der Schüler lenkt!

 

Da der genetische Unterricht viel Zeit kostet, kann man so nicht die ganze Physik lernen. Das ist auch nicht nötig. Es genügt, wenn man ein Mal selbst etwas entdeckt hat. Man weiß nun, wie das geht und wie schön das ist. Darum soll der Lehrer das Thema aber sorgfältig auswählen, ob es wirklich beispielhaft, also exemplarisch (der dritte der drei Grundbegriffe des genetischen Prinzips) für die Physik ist.

Wagenschein vergleicht: So wie am Brückenpfeiler ein weit spannender Brückenbogen hängen kann, so an einer gründlichen genetischen Unterrichtseinheit ein langer informativer Unterricht.

 

Beispiele:

1.) Zieht man beim Abwasch ein Glas aus dem Wasser mit dem Becherboden nach oben, so bleibt das Glas gefüllt.

2.) Warum ist es im Sommer wärmer als im Winter?

3.) Warum schwimmt ein Schiff aus Eisen? (Räbiger)

4.) Warum findet man der Schwerpunkt eines Besens durch rutschende Finger am Besenstil? (Räbiger)

 

VITA

1896 - 1988

Er erlebte zehn Jahre die Reformpädagogik als Lehrer an der Odenwaldschule bei Paul Geheeb,

dann Wirken an staatlichen Schulen

1960 tätig im "Deutschen Ausschuss für Bildungs- und Erziehungsfragen"

 

M. Wagenschein
Erinnerungen für Morgen

 

M. Wagenschein
Die Pädagogische Dimension der Physik

 

M. Wagenschein
Natur physikalisch gesehen

 

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 Dienstag, 26. April 2011

 

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© by Prof. Dr. Fritz Siemsen, Institut für Didaktik der Physik der Goethe-Universität Frankfurt/Main (August 2006)