Johann Wolfgang Goethe-Universität
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Photophysik und Photochemie von Singulettsauerstoff - ein ganz besonderes Gebiet
Details siehe Refs. 119, 120 und 133. Ein Molekül im Triplettgrundzustand: O2(3Sg-)Molekularer Sauerstoff hat im Grundzustand 3Sg- Triplettmultiplizität und nicht wie die allermeisten Stoffe der Natur Singulettmultiplizität. Die Wignersche Spinauswahlregel besagt, daß chemische Reaktionen von Triplettmolekülen mit Singulettmolekülen verboten sind. Die Triplettmultiplizität ist also der Grund, warum die meisten Umsetzungen von Sauerstoff mit organischen Substanzen, obwohl sie aus energetischen Gründen eigentlich glatt ablaufen sollten, erst nach Zündung oder in Gegenwart von Katalysatoren stattfinden, nicht aber bei Raumtemperatur. Man sagt, Reaktionen von organischen Verbindungen mit Sauerstoff sind kinetisch gehemmt. Dieser Effekt ermöglicht unser Leben in einer O2 enthaltenden Atmosphäre.Der erste angeregte Zustand: O2(1Dg) SingulettsauerstoffNur wenig über dem Triplettgrundzustand von O2 liegt der niedrigste angeregte Singulettzustand des Sauerstoffmoleküls. Dieser 1Dg Zustand hat eine Anregungsenergie von 94 kJ mol-1 und wird durch Energieübertragung von durch mit Licht angeregten Sensibilisatoren (Photosensibilisierung) bevölkert. Der Übergang in den 3Sg- Grundzustand ist für das isolierte O2(1Dg) Molekül streng verboten. Das Verbot wird in Stößen gelockert. Dennoch ist O2(1Dg) Singulettsauerstoff auch in kondensierter Phase metastabil. Wegen der Singulettmultiplizität, entfällt für Reaktionen mit Singulettsauerstoff das Spinverbot. Deshalb und wegen der Anregungsenergie von 94 kJ mol-1 ist O2(1Dg) Singulettsauerstoff äußerst reaktiv.Der aktuelle Wissensstand über die physikalischen
Mechanismen der Bildung und Desaktivierung von Singulettsauerstoff
wurde kürzlich von uns in einem umfassenden Übersichtsartikel
zusammengefaßt. Ref.
120 unserer Publikationsliste. Ein Review der sich speziell mit
neueren Entwicklungen auf dem Gebiet der Photosensibilisierung von
Singulerttsauerstoff beschäftigt ist 2006 erschienen. Ref.
133. Chemie von Singulettsauerstoff und einige AnwendungenDie enorme Reaktivität von Singulettsauerstoff wird in Bleich- und Desinfektionsprozessen sowie in vielen chemischen Synthesen ausgenutzt. Beispielhaft sei die Umsetzung von Singulettsauerstoff mit aromatischen Verbindungen (A) genannt, die zu Endoperoxiden (APO) führt. Deren thermische oder photochemische Spaltung führt zurück zum Aromaten A und Singulettsauerstoff. Die APOs können Bestandteile hochreversibler photochromer Systeme sein, manche sind hervorragende chemische Aktinometer. Ref. 123.. Die chemisch bedingte Toxizität des Singulettsauerstoffs wird in medizinischen Verfahren, wie zum Beispiel in der Photodynamischen Therapie (PDT) von Tumoren eingesetzt. Bei der PDT wird dem Patienten ein geeigneter Photosensibilisator verabreicht. Nach 24 bis 48 Stunden ist der Sensibilisator aus dem gesunden Gewebe wieder weitgehend verschwunden. Da die Konzentrationsabnahme im Tumorgewebe verzögert erfolgt, ist der Sensibilisator nach dieser Wartezeit im Tumor selektiv angereichert. Bei Bestrahlung mit rotem Laserlicht wird der Sensibilisator angeregt und durch Energieübertragung O2(1Dg) erzeugt, der die Nekrose des Tumors einleitet. Bei diesem Verfahren werden meist Porphinderivate als Sensibilisatoren eingesetzt. Es wird versucht, neben diesen etablierten Systemen alternativ Sensibilisatoren für die PDT zu entwickeln. Refs. 69,70,76,120,133.Strahlungslose Desaktivierung von O2(1Dg) SingulettsauerstoffMit den chemischen Reaktionen von O2(1Dg) konkurrieren drei verschiedene strahlungslose Desaktivierungsprozesse.Die e-v Desaktivierung, eine langsamer Prozeß mit einer enormen VariationsbreiteBei der allgegenwärtigen e-v Energieübertragung wird die elektronische Anregungsenergie von O2(1Dg) in Schwingungsenergie terminaler Bindungen des Stoßpartners umgewandelt. Bei diesem spinverbotenen und daher relativ langsamen Desaktivierungsprozeß nimmt die Geschwindigkeitskonstante exponentiell mit der Energie der Streckschwingung der desaktivierenden Bindung von C-F über C-D, O-D, C-H nach O-H zu. Diese Besonderheit führt zu einer enormen Lösungsmittelabhängigkeit der Lebensdauer von O2(1Dg). Wie wir gefunden haben, reicht die Variation über 6 Größenordnungen! Am kürzesten ist die Lebensdauer von O2(1Dg) mit 3.3 ms in H2O am längsten in Perfluordekalin mit 300 ms. Die e-v Desaktivierung von O2(1Dg) konnte von uns quantitativ beschrieben werden. Refs. 60,75,79,87,120.Die CT Löschung, der zweitschnellste DesaktivierungsprozeßDie Charge-Transfer (CT) induzierte Desaktivierung wird für Löscher mit niedrigem Oxidationspotential gefunden. Wie wir zeigen, werden dabei intermediär Exciplexe gebildet, die durch innere Konversion sehr rasch in Grundzustandskomplexe zerfallen. Refs. 112,113,115,120.Fast diffisionskontrolliert, die elektronische EnergieübertragungElektronische Energieübertragung kann auf Löscher sehr niedriger Triplettenergie spinerlaubt erfolgen. Dieser im Prinzip schnellste Desaktivierungsprozeß verläuft fast diffusionskontrolliert, wenn die Triplettenergie des Löschers niedriger ist als die Anregungsenergie von O2(1Dg). In einer kürzlich erschienenen Arbeit zeigen wir, daß die Abhängigkeit der Geschwindigkeitskonstanten von der Überschußenergie bei der Löschung von Singulettsauerstoff durch Grundzustands-Carotenoide den gleichen Gesetzmäßigkeiten folgt wie bei der Löschung von Tripplettzuständen durch Grundzustandssauerstoff. Die Desaktivierung verläuft als Innere Konversion von angeregten Encounter-Komplexen Ref. 122. Viele Pflanzen schützen sich über diesen Mechanismus vor der toxischen Wirkung von O2(1Dg) durch die Synthese von Carotinen oder Lycopinen. Ref. 120.Der zweite angeregte Zustand O2(1Sg+): wieder ein SingulettNur wenig über dem angeregten 1Dg Singulettzustand findet man den 1Sg+ Singulettzustand des Sauerstoffmoleküls. Dieser liegt um 157 kJ mol-1 über dem Grundzustand. Wie unsere Untersuchungen gezeigt haben, wird der 1Sg+ Zustand in Stößen mit anderen Molekülen sehr rasch und vollständig durch spinerlaubten e-v Energietransfer in den metastabilen 1Dg Zustand desaktiviert. Es gelten ähnliche Gesetzmäßigkeiten wie bei der e-v Desaktivierung von O2(1Dg). Allerdings sind die Geschwindigkeitskonstanten der e-v Desaktivierung von O2(1Sg+) wegen des Wegfalls des Spinverbots und der kleineren Überschußenergie etwa um den Faktor 106 größer als im Fall der spinverbotenen e-v Desaktivierung von O2(1Dg). Wir haben ein Modell entwickelt, das die Variation der Geschwindigkeitskonstanten der e-v Desaktivierung von O2(1Dg) und O2(1Sg+) über mehr als 10 Größenordnungen quantitativ beschreibt. In kondensierter Phase ist die Desaktivierung von O2(1Sg+) so schnell, daß die Lebensdauer nur in perchlorierten Lösungsmitteln Maximalwerte von etwa 150 ns erreicht. In den meisten Lösungsmitteln ist die Lebensdauer von O2(1Sg+) jedoch deutlich kürzer als 1 ns. Deshalb können weder CT Desaktivierung noch chemische Reaktionen mit der e-v Desaktivierung konkurrieren: O2(1Sg+) ist im Gegensatz zu O2(1Dg) Singulettsauerstoff nicht reaktiv! Refs. 80,85,87,97,100,120.Phosphoreszenz von O2(1Dg) Singulettsauerstoff, ein ungewöhnlicher LösungsmitteleffektDer Übergang in den X3Sg- Grundzustand ist für O2 im a1Dg Zustand streng verboten. Die Strahlungslebensdauer 1/ka-X wurde für das isolierte O2(1Dg) Molekül zu einer Stunde bestimmt (ka-X = 2.6x10-4 s-1). Nach Kasha handelt es sich bei der Phosphoreszenz a -> X um den am stärksten verbotenen Strahlungsübergang eines Moleküls überhaupt. Dieses strenge Verbot wird durch Störungen in kondensierter Phase gelockert, so daß die a -> X Phosphoreszenz in Lösung bei 1275 nm beobachtet werden kann. Dabei ist die Stärke dieser Störung enorm vom Lösungsmittel abhängig. So variiert die Geschwindigkeitskonstante ka-X der a -> X Phosphoreszenz von 0.2 s-1 in H2O bis zu 3 s-1 in CH2I2. Dies ist der größte Lösungsmitteleffekt auf eine Geschwindigkeitskonstante eines Strahlungsprozesses. Von Ogilby wurde eine enge, nichtlineare Korrelation von ka-X mit dem Brechungsindex des Lösungsmittels gefunden. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, daß es sich nicht um eine isotrope Störung eines Lösungsmittelkontinuums handelt sondern daß der verbotene a -> X Strahlungsübergang auch in Lösung durch bimolekulare Stöße ausgelöst wird. Dabei konnten wir zeigen, daß das Übergansmoment Ma-X der stoßinduzierten Emission a -> X direkt proportional zur molekularen Polarisierbarkeit des Stoßpartners ist. Diese Erkentnisse erklären erstmals und quantitativ die starke und in Gemischen zum Teil etwas seltsam erscheinende Lösungsmittelabhängigkeit von ka-X. Refs. 56,71,92,102,103,120.Fluoreszenz b -> a, ein Übergang zwischen zwei angeregten Zuständen und ein Gefährte der a -> X PhosphoreszenzDer Strahlungsübergang aus dem zweiten angeregten b1Sg+ Zustand in den a1Dg Singulettzustand ist für das isolierte O2 Molekül für Dipolstrahlung ebenfalls verboten. Dieser b -> a Übergang, der bei 1935 nm beobachtet wird, gewinnt in Stößen stark an Intensität. In der Gasphase, wo die Lebensdauer von O2(1Sg+) ausreichend lang ist, wurden von Fink Geschwindigkeitskonstanten der bimolekularen stoßinduzierten Fluoreszenz für eine Reihe von Stoßpartnern bestimmt. Wie unsere Analyse zeigt, ist das Übergansmoment Mb-a der stoßinduzierten Fluoreszenz b -> a wieder direkt proportional zur molekularen Polarisierbarkeit des Stoßpartners. Die Übergangsverbote für die a -> X und b -> a Emissionen werden also durch die gleiche Störung gelockert. Diese Parallelität resultiert nach Minaev aus der starken Spin-Bahn Kopplung des Sauerstoffs. Refs. 92,103,120.Die Sensibilisierung von Singulettsauerstoff durch Triplettzustände, eine exotherme, spinerlaubte und doch nicht diffusionskontrollierte EnergieübertragungWegen der großen Bedeutung von O2(1Dg) Singulettsauerstoff als chemischem Agens wurden Effizienzen SD der Sensibilisierung von O2(1Dg) für Hunderte von Sensibilisatoren bestimmt. Bei den bisherigen Untersuchungen konnte aber nicht unterschieden werden, zu welchen Anteilen O2(1Dg) direkt oder indirekt über den höher angeregten, äußerst kurzlebigen O2(1Sg+) gebildet wird. Deshalb wurde bisher kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der wichtigen Größe SD und molekularen Parametern des Sensibilisators gefunden. Mit einer von uns neu entwickelten Methode zur getrennten Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten k1S, k1D und k3D der bei der Löschung des T1 Zustands des Sensibilisators durch O2 zu O2(1Sg+), O2(1Dg) und Grundzustandssauerstoff O2(3Sg-) führenden Desaktivierungskanäle lassen sich diese Gesetzmäßigkeiten erstmals entschlüsseln. Es zeigt sich, daß die Anregungsenergie, die Elektronenkonfiguration (np*, pp*) des T1 Zustands, das Oxidationspotential des Sensibilisators und die Polarität des Lösungsmittels die konkurrierenden Prozesse dezidiert beeinflussen. Refs. 84,90,110,111,114,118-120,126,129,130,133.Hier finden Sie eine interaktive dreidimensionale Grafik, die die Abhängigkeit der Geschwindigkeitskonstanten k1S, k1D und k3D von zwei Variablen, nämlich der Überschußenergie DE und der Freien Reaktionsenthalpie DGCET und damit letztlich von der Triplettenergie und dem Oxidationspotential des Sensibilisators zeigt. Refs. 119,120,133. 3D Plot Diese Arbeiten werden von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft und neuerdings auch von der Adolf Messer
Stiftung finanziell unterstützt. Verwendete Verfahren und Geräte:Stationäre und zeitaufgelöste Emission im UV/VIS (ns-ms) und NIR (ns-s). Refs. 109,110.Stationäre und zeitaufgelöste Absorption, iterative Dekonvolution, Excimerlaser, Sickstofflaser, Nd:Yag Laser mit Frequenzverdreifachung, IR-Halbleiterdetektoren und Photomultiplier, Photoakustische
Kalorimetrie. |