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FRÜHNEUZEITLICHE STEREOTYPE

 

8. bis 11. Oktober 2008

Zur Produktivität und Restriktivität sozialer Vorstellungsmuster

Die 5. Jahrestagung der internationalen andreas gryphius-gesellschaft findet vom 8. bis zum 11. Oktober 2008 in Breslau statt. zum Tagungsprogramm >

Ausschreibungstext

 

Die Tagung fragt nach der Bedeutung und Funktion von stereotypen Vorstellungsmustern in der Literatur und in anderen Künsten der Frühen Neuzeit, wobei nicht allein nationale Stereotype, sondern verschiedene Gegenstands­bereiche und thematische Zusammenhänge behandelt werden, seien es konfessionelle Stereotype, Geschlechterstereotype, oder vergleichbare soziale Vorstellungsmuster. Dabei steht die Funktions­weise der Stereotype in verschiedenen Medien, gesellschaftlichen Zusammenhängen und historischen Kontexten in Rede, was im vorliegenden Fall historisch am Beispiel der Frühen Neuzeit präzisiert werden soll. In interdisziplinärer und transnationaler Perspektive möchte die Tagung Forschungstraditionen aus Deutschland, aus Polen und aus anderen Ländern zusammenführen.
Im allgemeinen Sprachgebrauch sind Stereotype vereinfachte, schablonenhafte Vorstellungen, die man sich dauerhaft von Menschen – von Einzelnen oder von Gruppen – macht. Sie sind weniger auf eigene Erfahrungen gegründet, als dass sie mit Wertungen durchsetztes, geronnenes Erfahrungswissen innerhalb sozialer Gemeinschaften und kultureller Traditionen transportieren. Im Sinn der historischen Stereotypenforschung sind sie nicht ausschließlich als Vorurteile zu verstehen, sondern mehrwertig zu bestimmen. Dabei können Konzepte der komparatistischen Imagologie, der diskursiven Selbst- und Fremdbestimmung (Auto- und Hetero-Images), mit Untersuchungen des kulturellen Fremdheitswissens innerhalb der kulturwissenschaftlichen Xenologie zusammengeführt werden. Eine historische Stereotypenforschung verbindet sich mit Positionen der historischen Semantik, die sich mit „Bedeutungen im Horizont ihrer geschichtlichen Veränderungen“ beschäftigt. Dabei tritt der Begriffscharakter von Stereotypen in den Vordergrund: Gemeinsamkeiten von Begriffen und Stereotypen – ihr primär verbaler Charakter, ihre Abstraktion und Generalisierung von Einzelphänomenen – sind ebenso wie die Unterschiede – der höhere Differenzierungsgrad bei Begriffsbildungen – zu beachten. Bezüglich der historisch konditionierten Stereotype kann kritisch auch nach ihrem Wahrheitsgehalt und Realitätsbezug gefragt werden.
Den Analysen zugrundegelegt werden soll die Prämisse der historischen Semantik und der historischen Stereotypenforschung, die Stereotype als präzise rekonstruierbare Funk­tion von Texten – in einem medienübergreifenden Sinn – betrachtet. Sie fungieren dann nicht nur als Indikatoren für innerpsychische Zustände und Haltungen, sondern auch als handlungsrelevante Faktoren kulturellen Bewußtseins. Wir schlagen als Vorgehensweise ein von der historischen Semantik entwickeltes Konzept der Rekonstruktion von Stereotypen vor, das ähnlich der frühneuzeitlichen Sachtopik vorgeht und nach Sprecher, Zeit und Ort, nach dem Was und Wie, dem Wem und Warum stereotyper Aussagen in literarischen Texten und anderen künstlerischen Äuße­rungsformen fragt. Dabei soll der historische Augenblick einer Äußerung, der räumliche und gesellschaftliche Standort, der zeitgenössische Wissensbezug, die Funktion bestimmter Textsorten bzw. medialer Gattungen, der Adressatenbezug und die strategische Zielsetzung Berücksichtigung finden. Gegenstände der Untersuchung sind  vor allem die textuellen und visuellen Medien der Frühen Neuzeit, neben dezidiert künstlerischen Ausdrucksformen insbesondere auch solche der Gebrauchsliteratur, der Gelegenheitsdichtung, mediale Mischformen wie das Flugblattwesen oder die Emblematik, sowie die Malerei, Grafik und Skulpturenkunst der Zeit.
Unsere Tagung setzt sich zum Ziel, einen aktuellen Beitrag zur Funktion der Literatur und der Künste bei der Rekonstruktion von Gesellschaftsstrukturen, Mentalitäten und Lebenswelten der Frühen Neuzeit zu leisten. Dies geschieht im historischen Kontext eines supranationalen und ständischen Staats- und Gesellschaftsgewebes und durch die Untersuchung der Formen und Funktionen von nationalen und anderen Stereotypen, wie sie in den Texten und Medien der Zeit vermittelt wurden und rekonstruierbar sind. Das Thema und die interdisziplinäre und internationale Ausrichtung des Projekts erscheinen uns gerade heute – in einem nach der EU-Erweiterung erneut veränderten Europa – als besonders aktuell und wichtig. Dies gilt nicht allein für die europäische Frühneuzeitforschung, die ihre komparatistische Perspektive konsequent auf Gesamteuropa mit allen seinen Teilen ausweiten sollte. Es gilt besonders auch für den deutsch-polnischen Dialog, den wir fortsetzen wollen, um seine bisherigen Ergebnisse und Fortschritte zu bewahren und weiterzuentwickeln.

Wir bitten um Vortragsangebote mit kurzer thematischer Skizze und einer Kurzbiographie an 2008(at)gryphius.net bis zum 7. Dezember 2007.

Organisation:
Prof. Dr. Miroslawa Czarnecka (Breslau)
PD Dr. Thomas Borgstedt (München)
Prof. Dr. Knut Kiesant (Potsdam)

Konferenzbüro:
Dr. Tomasz Jablecki
Uniwersytet Wroclawski
Instytut Filologii Germanskiej
Pl. Biskupa Nankiera 15
PL-50-140 Wroclaw
tel. (+48 71) 3752 446
e-mail: jablecki(at)ifg.uni.wroc.pl