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20. Juli 2001

 
   

Der galante Diskurs

Kommunikationsideal und Epochenschwelle

Thomas Borgstedt, Andreas Solbach (Hg.)

(Arbeiten zur neueren deutschen Literatur.
Hg. von Walter Schmitz, Bd. 6)

Thelem bei w.e.b. 2001

ISBN 3-933592-38-0


Vorwort

Die literarische Modebewegung der Galanten spielt in Deutschland an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert über mehrere Dekaden hinweg eine kulturell bedeutende Rolle. Im allgemeinen Bewußtsein ist sie durch die erotisch ungewöhnlich freizügige Lyrik gegenwärtig geblieben, die vor allem in Benjamin Neukirchs berühmter Anthologie Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen Gedichte seit 1697 in insgesamt sieben Bänden versammelt ist. Reizt hieran das Skandalöse, so kann doch der insgesamt sehr viel weitere Horizont der galanten Bewegung nicht vergessen werden, der auch den galanten Roman und flankierende Phänomene der Kunst- und Musikgeschichte umfaßt. Zugrunde liegt diesen künstlerischen Erscheinungen eine deutliche Hinwendung zum höfisch-aristokratischen Vorbild Frankreichs, wo das galante Verhaltensideal bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts in den Pariser Salons entwickelt und kultiviert worden war. Das verhaltensethische Fundament des Galanten wirkt sich entsprechend auf die philosophische Diskussion aus und bildet ein Kernmotiv in der frühaufklärerischen Kritik des Christian Thomasius, der in seiner berühmten Universitätsvorlesung Von der Nachahmung der Franzosen als Interpret und Mentor der galanten Bewegung auftritt. Damit einher gehen Modifikationen in der stilistischen Attitüde, die sich auf die Rhetorik, auf die Konversationskultur und die Briefstilistik auswirkt. Werden hier Richtungen eingeschlagen, die geradewegs ins Jahrhundert der Aufklärung weisen, so führt in Deutschland die poetische Orientierung an nationalen Mustern damit zu einer Exponierung und Fortschreibung von überkommenen Vorbildern wie Martin Opitz, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Daniel Casper von Lohenstein. Dies bewirkt eine eigentümlich unentschiedene Stellung der galanten Dichtung zwischen den Epochen und zwischen der Orientierung an europäischen Modernisierungstendenzen einerseits und nationaler Selbstbehauptung andererseits. Insofern ist gerade auch die kulturelle Differenz und die zeitliche Verzögerung der Rezeption des galanten Ideals in Deutschland von besonderer Signifikanz.

Conrad Wiedemann begrenzte den Wirkungszeitraum der Galanten in seiner Anthologie Der galante Stil auf den Zeitraum von 1680 bis 1730. Die galante Bewegung dominierte demnach in Deutschland für nahezu ein halbes Jahrhundert den literarischen Geschmack, parallel zum Zeitalter der frühen Aufklärung und zur pietistischen Erneuerung des Glaubens. In der Forschung ist diesen Verbindungen bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Überhaupt fehlt es an einer übergreifenden monographischen Darstellung und an Projekten, die in interdisziplinärer und kulturgeschichtlicher Perspektive die verschiedenen Stränge dieses typischen Zeitgeist- und Schwellenphänomens aufeinander zu beziehen suchen. Bislang stehen Studien zum galanten Verhaltensideal, zur Philosophie der Frühaufklärung, zur galanten Rhetorik, zum galanten Roman und zur galanten Lyrik weitgehend isoliert nebeneinander. Es ist literarhistorisch kaum klar, welcher Stellenwert dem Phänomen insgesamt zu geben, beziehungsweise auf welcher theoretischen Ebene es zu verorten sei. Der unklaren Zuordnung zwischen literarischer Bewegung, gesellschaftlicher Mode, Stilideal und Epochenphänomen soll hier der Begriff des galanten Diskurses Rechnung tragen, der es erlaubt, die unterschiedlichen Erscheinungsweisen übergreifend und ohne disziplinäre Gewichtung zu erfassen. Mit der Fragestellung „Kommunika­tions­ideal und Epochenschwelle“ soll eine Auseinandersetzung angestrebt werden, die über oberflächliche Motiv- und Stilanalysen hinausgreift. Im Stichwort des Kommunikationsideals ist der gesellschaftsethische Hintergrund des Galanten angesprochen und damit die Tatsache, daß es sich primär um ein Verhaltens- und Kommunikationsideal handelt – die galante conduite –, von dem die literarischen Erscheinungsformen abgeleitet werden. Das Stichwort Epochenschwelle sollte die nötige historische Einordnung der Erscheinungsformen des Galanten im Zeitalter der Frühaufklärung einfordern und zu entsprechenden Antworten anregen. Ein lokaler Schwerpunkt des vorliegenden Bandes liegt zugleich auf dem schlesischen Raum, der auch im Zeitalter der Galanten einen kulturellen Mittelpunkt der literarischen Entwicklung in Deutschland bildete.

Die Tagung „Der galante Diskurs – Kommunika­tions­ideal und Epochenschwelle“ fand als zweite reguläre Jahrestagung der Internationalen Andreas Gryphius-Gesellschaft (iagg) auf Einladung von Prof. Dr. Walter Schmitz und unter der Leitung von Dr. Thomas Borgstedt (Frankfurt am Main) vom 2. bis 5. Dezember 1999 an der Technischen Universität Dresden statt. Der vorliegende Band versammelt diejenigen Beiträge, die auf der Tagung vorgetragen wurden, sowie solche, die aus technischen Gründen nicht gehalten werden konnten und die deshalb hier erstmals vorgelegt werden.

Zu danken haben wir dem Sächsischen Staatsministerium des Innern für die großzügige materielle Unterstützung der Tagung und des vorliegenden Bandes, der Technischen Universität Dresden, dem Germanistischen Institut und insbesondere Herrn Prof. Dr. Walter Schmitz, der die Durchführung der Tagung in Dresden in finanzieller wie in institutioneller Hinsicht möglich gemacht hat und der gemeinsam mit seinen Mitarbeitern für eine in jeder Hinsicht angenehme und komfortable Atmosphäre zu sorgen wußte. Für die perfekte Organisation vor Ort besonders zu danken ist in diesem Zusammenhang Herrn Ulrich Fröschle und Herrn Dr. Frank Almai sowie allen helfenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Herrn Prof. Schmitz danken wir darüber hinaus für die Aufnahme des Tagungsbandes in die Reihe „Arbeiten zur Neueren deutschen Literatur“, dem Verlag für die unbürokratische und reibungslose Zusammenarbeit bei der Drucklegung. Die redaktionelle Betreuung und die technische Einrichtung des Bandes wurde auf vorbildliche Weise und mit ungewöhnlichem Einsatz von Frau Yvonne Wolf (Mainz) durchgeführt. Ohne ihr großes Engagement und ihre besondere Sorgfalt in der Betreuung der einzelnen Beiträge unter hohem Zeitdruck wäre die schnelle Veröffentlichung des Bandes keineswegs möglich gewesen. Ihr gebührt an dieser Stelle der außerordentliche Dank der Herausgeber.

 

                  

                               Thomas Borgstedt, Andreas Solbach

internationale andreas gryphius-gesellschaft e.v.
pd dr. thomas borgstedt
institut für deutsche sprache und literatur II
johann wolfgang goethe-universität frankfurt am main
grüneburgplatz 1 - 60323 frankfurt am main

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