Mitteilbarkeit von Emotionen in
Computervermittelter Kommunikation
Johannes
Hartig, Nina Jude &
Helfried
Moosbrugger
Inhalt
Fragestellungen
Über Perspektiven, Nutzen und Schaden der durch die neuen Medien möglichen
Computervermittelten Kommunikation (CMC) werden momentan widersprüchliche
Meinungen und Befunde diskutiert (vgl. z.B. Döring,
1999). Einigen unangezweifelten Vorteilen wie z.B Globalität und
Schnelligkeit der CMC stehen als mögliche Nachteile gegenüber,
daß CMC als unpersönlich und emotionslos gilt. Weil sie die
nonverbalen zwischenmenschlichen Kommunikationskanäle nicht ersetzen
könne, drohe die Gefahr sozialer und emotionaler Verarmung und Isolation
(z.B. Kraut et al., 1998).
Um diese Problemlage besser beurteilen zu können, wurde untersucht,
ob die Verwendung von grafischen Emoticons in der CMC eine Alternative
zu nonverbalen Kommunikationskanälen in der Face-to-Face-Kommunikation
(FtF) – besonders zur Vermittlung von Emotionen – darstellen könnte
(vgl. Höflich, 1996). Mittels eines Online-Fragebogens
wurden an einer Internet-Stichprobe die Kenntnis, die Gebrauchshäufigkeiten
und die subjektive Bedeutungsbeimessung von Emoticons erhoben. Es wurde
vermutet, daß in der CMC nur eine limitierte Anzahl von unterschiedlichen
Emoticons allgemein benutzt wird und relevant ist. Darüberhinaus wurde
untersucht, ob eine höhere Verwendungshäufigkeit von Emoticons
mit einer besseren Mitteilbarkeit von Emotionen in elektronischen Medien
einhergeht.
Weiterhin sollten die Befragungsteilnehmer beurteilen, wie gut sie in
unterschiedlichen Medien Emotionen eines Kommunikationspartners einschätzen
bzw. eigene Gefühle mitteilen können, und wie hoch ihre Bereitschaft
dazu ist. Zum einen waren hier die Unterschiede zwischen verschiedenen
Kommunikationsmedien von Interesse, zum anderen sollte überprüft
werden, ob – entsprechend den Befunden zur nonverbalen FtF-Kommunikation
– Frauen auch in der CMC Emotionen besser mitteilen und einschätzen
können als Männer (vgl. Werner, 1983).
Datenerhebung
Die Daten wurden mittels eines deutschsprachigen Online-Fragebogens erhoben;
die Rekrutierung der Umfrageteilnehmer/-innen erfolgte in deutschsprachigen
Newsgroups und Mailinglisten. Der größte Teil der Antworten
erfolgte innerhalb von drei Tagen direkt nach dem Posting des Aufrufs,
nach neun Wochen wurde die Datenerhebung beendet. Insgesamt wurden 231
Datensätze von 86 Teilnehmerinnen und 145 Teilnehmern in die Auswertung
mit einbezogen. 80% der Befragten waren zwischen 21 und 35 Jahren alt,
17% älter als 35 und 3% jünger als 21.
Ergebnisse
Gebrauch und Bedeutung von Emoticons
Der weitaus größte Teil der Befragten (72%) kennt mehr als fünf
verschiedene Emoticons, die meisten (68%) verwenden selbst aber nur ein
bis vier davon. Nach den von den Befragten verwendeten Emoticons wurde
mit offenem Antwortmodus gefragt. Das am häufigsten genutzte Emoticon
ist der sogennante Smiley :-) bzw. seine Varianten :o) :~) 8-)
(in 98% der Antworten). Ihm folgt das ironisch zwinkernde Gesicht ;-)
(75%), und danach das traurige, der Frowny :-( (67%). Etwa ein Drittel
der Nutzer läßt die "Nase" des Emoticons weg :) ;) :(.
Andere "Gesichtsausdrücke" werden relativ seltem genannt (z.B. Überraschung
:-o
mit 11%, herausgestreckte Zunge :-p mit 9%). Insgesamt gaben 86%
der Befragten an, beim Lesen von elektronisch vermittelten Texten auch
auf Emoticons zu achten.
Die meistgenannten Gründe für die Verwendung von Emoticons
sind für die Untersuchungsteilnehmer/-innen die Verdeutlichung von
Ironie (85%) und das Ausdrücken von Gefühlen (61%) in CMC. Dabei
schätzten 26% der Befragten Emoticons als ausschließlich für
private Kommunikation geeignet ein, nur 15% waren der Meinung, daß
mit diesem Hilfsmittel keine Gefühle ausgedrückt werden könnten.
Auch im offenen Antwortmodus definierten die Untersuchungsteilnehmer/ -innen
den Sinn eines Emoticons dahingehend, daß damit eigene Gefühle
und Stimmungen ausgedrückt und Ironie verdeutlicht werden könne.
Tatsächlich findet sich vor allem für den Chat, aber auch
für die E-mail ein positiver Zusammenhang zwischen der Verwendung
von Emoticons und der selbsteingeschätzten Fähigkeit, in dem
jeweiligen Medium Emotionen mitzuteilen (E-mail: r = .23; p = .001; Chat:
r = .52; p < .001).
Einschätz-
und Mitteilbarkeit von Emotionen in unterschiedlichen Medien
Die selbstberichtete Einschätz-und Miteilbarkeit von Gefühlen
in den Kommunikationsmedien persönliches Gespräch, Telefongespräch,
Brief, E-mail und Chat wurde mittels einer dreifaktoriellen 5 x 2 x 2-Varianzanalyse
(Medium x Kommunikationsrichtung (Einschätzen vs. Mitteilen) x Geschlecht)
analysiert. Es zeigte sich ein hochsignifikanter Haupteffekt des Mediums
(F(4,141) = 47.4; p < .001). So liefert das persönliche Gespräch,
sowohl für das Mitteilen eigener Gefühle als auch für das
Einschätzen der Gefühle des Kommunikationspartners, die höchste
Kommunikationsqualität. Am Telefon ist diese schlechter, und noch
schlechter in einem Brief, einer E-mail und im Chat. Ein starker Mediumseffekt
in gleicher Richtung fand sich auch auf die Bereitschaft, Gefühle
in unterschiedlichen Medien mitzuteilen (F(1,145) = 41.3; p < .001;
5 x 2-Varianzanlyse Medium x Geschlecht). Ein Effekt der Kommunikationsrichtung
(Gefühle einschätzen vs. mitteilen) auf die Kommunikationsqualität
fand sich nicht, jedoch zeigte sich eine Wechselwirkung zwischen Kommunikationsrichtung
und Medium (F(4,141) = 9.9; p < .001), welche in Abbildung
1 gut erkennbar ist. Während im persönlichen Gespräch
Gefühle anderer besser eingeschätzt als eigen mitgeteilt werden
können, scheint dies bei der Kommunikation per Brief, per e-mail und
im Chat umgekehrt zu sein. Diese Medien werden für das Mitteilen von
eigenen Gefühlen geeigneter befunden als für das Einschätzen
von fremden Gefühlen.
Abbildung 1: Kommunikationsqualität beim Mitteilen und Einschätzen
von eigenen bzw. fremden Emotionen in verschiedenen Medien (N = 146, gepoolt
über beide Geschlechter).
Geschlechtsdifferenzen
Für das Geschlecht der Befragten fand sich ein signifikanter Haupteffekt
auf die Kommunikationsqualität (F(1,144) = 10.2; p = .002). So schätzen
Frauen ihre Fähigkeit sowohl zur Mitteilung eigener als auch zur Einschätzung
fremder Gefühlen in allen erhobenen Medien signifikant besser ein
als Männer (s. Abbildung 2). Über alle Medien
hinweg signifikant höher ist auch die Bereitschaft der weiblichen
Befragten, Gefühle auszudrücken (F(1,145) = 10.0; p = .002; s.
Abbildung
3).
Abbildung 2: Mittlere Kommunikationsqualität beim Mitteilen
eigener und Einschätzen fremder Emotionen in verschiedenen Medien
in Abhängigkeit vom Geschlecht (N = 146, gepoolt über beide Kommunikationsrichtungen).
Abbildung 3: Mittlere Bereitschaft zum Mitteilen von Emotionen in
verschiedenen Medien in Abhängigkeit vom Geschlecht (N = 147) .
Frauen verwenden in privater E-mail signifikant häufiger Emoticons
(t(227) = 2.2; p = .013), diese Differenz findet sich für berufliche
E-mail, Newsgroups und Chat allerdings nur tendenziell. Im Unterschied
zu Männern halten Frauen Emoticons sowohl für geeigneter, die
Gefühle eines Kommunikationspartners einzuschätzen (t(227) =
3.4; p = .001) als auch um die eigenen Gefühle mitzuteilen (t(228)
= 1.7; p = .050).
Diskussion
Die geschlechtsabhängigen Unterschiede in der Kommunikationsqualität
und -bereitschaft replizieren sowohl entsprechende Befunde in der Online-Forschung
(vgl. Witmer, 1997) als auch solche aus der FtF-Kommunikation,
in der Frauen generell besser in der Lage sind, Gefühle in sozialer
Interaktion zu kommunizieren (Schoenthal, 1985; Werner,
1983). Einschränkend muß hierbei allerdings beachtet werden,
daß in der vorliegenden Untersuchung nur Selbsteinschätzungen
und nicht tatsächliche Kommunikationsprozesse erfaßt wurden.
Die Wechselwirkung zwischen Kommunikationsrichtung und –medium hinsichtlich
der Kommunikationsqualität läßt erkennen, daß es
gerade die nonverbalen Kommunikationskanäle wie z.B. Mimik oder Stimmlage
sind, die in der FtF-Kommunikation zur Einschätzung der Gefühle
eines Kommunikationspartners herangezogen werden. Da diese in distanzierteren
Medien wie z.B. dem Computer wegfallen, wird dort das Einschätzen
fremder Emotionen als schwerer empfunden als das Mitteilen eigener.
Generell kann festgestellt werden, daß computervermittelte Kommunikation
das persönliche Gespräch im Bezug auf die Vermittlung von Emotionen
nicht ersetzen kann. Es fällt auf, daß gerade der Chat, der
durch die dort mögliche synchrone Kommunikation noch eine relativ
große Ähnlichkeit zur FtF-Kommunikation hat, signifikant schlechter
zur Vermittlung von Emotionen eingeschätzt wird als Brief oder E-mail.
Es werden allerdings, wie am Bespiel der grafischen Emoticons deutlich
wird, medienspezifische parasprachliche Kommunikationsformen zur Vermittlung
von Emotionen gefunden und genutzt, die zu einer teilweisen Kompensation
dieser medienabhängigen Defizite beitragen können.
Literatur
Döring, N. (1999). Sozialpsychologie des
Internet. Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten,
soziale Beziehungen und Gruppen. Göttingen: Hogrefe.
Höflich, J.R. (1996). Technisch vermittelte
interpersonale Kommunikation. Opladen: Westdeutscher Verlag
Kraut, R., Patterson, M., Lundmark, V., Kiesler,
S., Mukophadhyay, T. & Scherlis, W. (1998). Internet paradox: A social
technology that reduces social involvement and psychological well-being?
American-Psychologist,
53, 1017-1031.
Schoenthal, G. (1985). Sprache und Geschlecht. Deutsche
Sprache, Zeitschrift für Theorie, Praxis, Dokumentation, 2, 143-185.
Werner, F. (1983). Gesprächsverhalten von
Frauen und Männern. Frankfurt am Main.
Witmer, D. F. (1997). On-Line Smiles: Does Gender
make a Difference in the Use of Graphic Accents [WWW document]. URL:
http://www.ascusc.org/jcmc/vol2/issue4/witmer1.html