Globale Kommunikation per Internet - Chance zur weltweiten Verständigung?

 

Globale Kommunikation per Internet

Mit dem Internet ergeben sich neue Möglichkeiten zur weltweiten Kommunikation. Wenn wir im Internet "surfen", bewegen wir uns mittels sogenannter Links, das sind Verweise auf andere Computer, zumeist völlig unmerklich, zwischen den Kontinenten. Wir wählen beispielsweise das Informationsangebot eines WorldWideWeb Servers in Frankfurt an, klicken dort auf ein Symbol und können Programme in den USA abrufen, mit Personen in Australien chatten oder Immobilienangebote in Hongkong durchsehen. In Indien werden Programme, die wir anwenden, entwickelt, aber über die USA vertrieben. Jeden Tag landen in asiatischen oder karibischen Ländern Flugzeuge voller Papier und Formulare, die dort von Datentypistinnen erfaßt werden und dann per Internet von den Auftraggebern abgerufen und weiterverarbeitet werden können.

In den Zeitungen oder vom Hörensagen erfahren wir immer wieder menschliche Geschichten rund um das Internet. Es scheint als kündigte sich eine neue Art sozialer Beziehungen an.

Da reißen 14jährige Töchter von zu Hause aus, um ihren Internetfreund IRL (in real life) kennenzulernen; Eltern glauben, daß eine Internetfreundschaft mit Korrespondenz in Englisch ein Auslandsjahr ersetzen könne; Ehen zwischen Partnern aus verschiedenen Kontinenten werden geschlossen, ohne daß die Liebenden sich vorher persönlich kennengelernt haben...

Aber, bedeutet dies alles auch Verständigung? Wer verständigt sich mit wem? Und wie sollen wir Verständigung überhaupt verstehen? Und - wie global ist die globale Kommunikation?

 

Verständigung in Stufen

Zunächst einmal die Frage: Was können wir mit Verständigung meinen?

Verständigung hat mit Verstehen zu tun; Max Weber hat Verstehen als Erfassung des Sinnzusammenhangs einer Handlung nach dem subjektiv gemeinten Sinn definiert. Wenn wir also verstehen wollen, müssen wir uns in den anderen hineinversetzen können, in seine Sicht der Dinge, seine Probleme und seine Lebensumstände. Dann können wir die Handlungen des Anderen aus seiner Sicht erklären und auf diese Weise für uns verständlich machen.

Wenn wir Verständnis auf diese Weise definieren, kommen verschiedene Stufen der Verständigung in Frage:

"Verständigung" verdient. Ich nenne dies einmal etwas holprig "Stellvertreterverständnis". Ich meine damit das Delegieren des Verstehens an Fachleute und Eliten, seien es Regierungsvertreter oder Entwicklungshilfestellen, die mittels des Internet in die Lage versetzt werden könnten, genauer auf die Bedürfnisse der dritten Welt einzugehen.

Weltweite Verständigung kommt also in Stufen daher, von der unmittelbaren Verständigung, zum Verstehen von Fremdinterpretationen - hin zu einem Stellvertreterverständnis ohne unmittelbare Beteiligung der einzelnen Menschen. Ich möchte anhand dieser drei Stufen fragen, auf welcher Ebene Verständigung möglich wird. Und was wir in dieser Hinsicht vom Internet erwarten können.

Unmittelbare Verständigung

Das Internet wird von vielen als Möglichkeit gesehen, virtuelle Gemeinschaften zwischen Personen, die sich über ein bestimmtes Interesse finden, zu konstituieren. Laboruntersuchungen zur CMC (computer mediated communication) stützen diese These. Es wird behauptet, es herrsche zwischen den Kommunikationspartnern eine größere Gleichheit, als im natürlichen Gespräch von Angesicht zu Angesicht, denn, weder die Hautfarbe, noch die Kleidung oder sonstige vorurteilsauslösende Zuschreibungen bekommen die Partner beim Austausch über zeichenorientierte Kommunikationsmedien zu Gesicht.

Folgt man den Ergebnissen der Forschungen zu computervermittelter Kommunikation scheint es, als ergäben sich im Internet neue Chancen zur zwanglosen Kommunikation zwischen Menschen, die ansonsten wahrscheinlich nie in Kontakt kommen würden. Für einen solchen gleichberechtigten Austausch müssen allerdings einige Voraussetzungen gegeben sein.

 

Voraussetzungen zur Verständigung

Es muß eine technische und eine soziale Infrastruktur auf beiden Seiten vorhanden sein und darauf beruhend müssen beide Kommunikationspartner Zugang zum Internet besitzen. Hinzu kommen solche individuellen Voraussetzungen, wie die Kompetenz mit dem Internet umgehen zu können, dies ist an ein bestimmtes Bildungsniveau geknüpft, ebenso wie notwendige Sprachkenntnisse auf beiden Seiten.

 

Bandbreitenbedarf der Internetmedien

Bei der technischen Infrastruktur lassen sich Stufen unterscheiden - je nachdem welches, auf dem Internet beruhende Medium zur Kommunikation in Frage kommt. Das Internet ist ja nicht ein einziges neues Medium - vielmehr handelt es sich dabei lediglich um ein Übertragungsprotokoll. Ein Protokoll ist eine Konvention zum Austausch von Daten. Auf dieser Konvention beruhen aber unterschiedliche Medien. Die wichtigsten dieser Medien möchte ich nun kurz vorstellen - und dabei zunächst die technischen Voraussetzungen im Auge behalten, von denen der Zugang abhängig ist.

Das wichtigste technische Kriterium für den uneingeschränkten Zugang zum Internet ist die Übertragungskapazität der Leitungen. Und mit der Weiterentwicklung der Programme und Angebote wird dieses Kriterium immer wichtiger.

Relativ wenig Bandbreite oder Leitungskapazität benötigen basale zeichenorientierte Medien wie Electronic Mail, die darauf beruhenden Mailinglisten, Newsgroups und IRC, der Internet Relay Chat. Mittels E-Mail können Kommunikationspartner Texte versenden und empfangen. Mailinglisten sind Verteiler, die per E-Mail eingehende Texte an einen Kreis von Interessenten, die sich als Subskribienten beim Listenverwaltungsprogramm eingetragen haben, weitergeben. Ähnlich funktionieren auch Newsgroups. Hier werden Nachrichten in einer Newsgroup öffentlich und nicht nur für Abonnenten wie in der Mailingliste zugänglich. Die vielen tausend Newsgroups sind in einer

Newshierarchie geordnet. Bei den bisher genannten Medien, E-Mail, Mailinglisten und Newsgroups handelt es sich um asynchrone Medien, welche die gleichzeitige Anwesenheit der verschiedenen Kommunikationspartner nicht erfordern, was insbesondere bei der Überschreitung verschiedener Zeitzonen von Bedeutung sein kann. Der Internet Relay Chat ist demgegenüber ein synchrones Medium, die Kommunikanten treffen sich in sog. Kanälen, die themenorientiert zugänglich sind, und kommunizieren mittels ihrer Tastatur. Damit sind im wesentlichen die Medien, mit denen sich Leute gegenseitig kennenlernen können, benannt.

Eine wesentlich höhere Bandbreite erfordern die neueren auf dem Internet beruhenden Medien: das WorldWideWeb, Internetradio, Telefonie per Internet, das Abrufen von Programmen von sog. FTP-Servern oder Videokonferenzen. Typisches Internetsurfen findet im WWW statt.

Hier schaut man sich die Homepages von Institutionen, Medien oder auch Privatpersonen an. Durch Verweise, die Links, läßt man sich durch die Angebote des Internet treiben.

Im WWW lassen sich Bilder, Videos und sogar richtige Programme einbinden. Allerdings ist hierfür auch ein einigermaßen schneller Anschluß erforderlich. Ähnliches gilt für Telefonate über das Internet oder gar Videokonferenzen, die über ein normales Modem und die Telefonleitung nicht mehr möglich sind. Eine gute Leitungsqualität ist zudem Voraussetzung für eine effiziente Datenübertragung.

 

Technische Voraussetzungen

Wie steht es aber um diese benötigten Voraussetzungen auf dem Globus? Eine Grundversorgung an Telefonleitungen, die man als Mindestvoraussetzung zum Anschluß ans Internet benötigt, findet sich in fast allen Industrieländern der Welt; diese sind allerdings, angesichts der Entwicklung des Angebotes und der Medien in Zukunft wohl auch unzureichend. Dennoch sind die technischen Voraussetzungen zwischen diesen Zentren weitgehend vorhanden, damit Menschen in Kontakt treten können. Trotzdem läßt sich leicht empirisch nachweisen, daß die Verteilung des Zugangs auch in den Industrieländern höchst ungleich verteilt ist.

Anders in der dritten Welt: Besonders Afrika ist von dem, wofür sich bei uns der Begriff "informationelle Grundversorgung" einzubürgern beginnt, meilenweit entfernt. In vielen Ländern ist das bestehende Telefonnetz total marode - oft, wie etwa in der Republik Kongo wurde es seit seiner Installation praktisch nicht gewartet. In Zimbabwe, wo das Telefon bei Regen regelmäßig ausfällt, kommen 12 Telefonanschlüsse auf 1000 Einwohner; in Botswana 27 und selbst in Südafrika sind es nur 29 Anschlüsse auf 1000 Einwohner. Ähnlich sieht es in vielen weiteren Staaten Afrikas, aber auch Asiens und Südamerikas aus. Rettung erhofft man sich heute durch den Aufbau eines Mobilfunknetzes. Gegenüber den in den Industrieländern investierten Milliardensummen nehmen sich die Investitionen in Afrika geradezu sehr bescheiden aus. Beispielsweise werden in der Republik Kongo gerade mal 4,9 Millionen Mark für ein Mobilfunknetz investiert.

Leider ist Mobilfunk, zumindest in dem in Deutschland durchgesetzten GSM-Standard kaum für eine flüssige Datenübertragung geeignet. Dafür ist die Übertragungskapazität zu gering. Zudem erfordert es, aufgrund seines zellularen Aufbaus, für eine flächendeckende Versorgung enorme Infrastrukturaufendungen. Die Funkverbindung benötigt in einem bestimmten Abstand zueinander Empfänger und Sender - größere Strecken können nur mit Hilfe von

Richtfunkverbindungen überwunden werden. Und - die Technik ist kaum skalierbar. D.h. sie läßt sich nur schwer in einer Low-Tech-Umgebung von Menschen mit geringer Ausbildung warten. Diese Technologie, die in vielen Ländern zur Hoffnung wird, bleibt daher mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auf die Zentren in den Entwicklungländern beschränkt. Viel mehr Hoffnung ist auch nicht von Satellitentelefonie zu erwarten, denn auch diese ist, zumindest das von Motorola vorangetriebene Iridium-Projekt, nicht für die Übertragung größerer Datenmengen geeignet. Es gibt Überlegungen hinsichtlich eines Projektes "Africa One", bei dem rund um Afrika ein Glasfaserkabel im Meer verlegt werden soll, um wenigstens die Küstenstaaten und -städte besser versorgen zu können.

Aber angenommen, dieses Projekt würde realisiert, was bedeutet dies für gegenseitige Verständigung? Die unmittelbare Verständigung zwischen den Menschen der dritten Welt und denen der ersten Welt scheitert wohl auch weiterhin an der mangelnden technischen Infrastruktur in den Entwicklungsländern, zumindest was ländliche Regionen angeht.

Und wie ist es in den großen Städten? Prinzipiell wird hier der Zugang möglich sein, allerdings auch nicht für jeden. Allein der Subskriptionspreis für das Mobiltelefon etwa im Kongo liegt bei US-$736; sogar der Angerufene soll 17 Cents pro Minute berappen. In Uganda kostet der Internetzugang 50 US$ im Monat inklusive dreier Freistunden - und dies bei bescheidener Übertragungsgeschwindigkeit und Nutzerzahlen, die im Hunderterbereich liegen. Insgesamt sind die Gesprächsgebühren in der Regel deutlich teurer als in den Industrieländern. Angesichts der ungleichen Einkommensverteilung in den Entwicklungsländern wird klar, daß auch in den Zentren der Entwicklungsländer

nur eine kleine Minderheit über den technischen Zugang verfügen können wird.

Selbst für diese wenigen Menschen, die dann per Telefon Zugang zu den Medien haben, reicht die zur Verfügung gestellte Bandbreite kaum aus, um in Zukunft Anschluß halten zu können. Waren bislang die zeichenorientierten, eher eine geringe Bandbreite erfordernden Medien eine Hoffnung: wachsen heute die bislang getrennten Medien: auf der einen Seite die zeichenorientierten; auf der anderen Seite die multimediafähigen - zusammen. In immer mehr E-Mails etwa finden sich Hyperlinks zu WWW-Seiten; in einigen Fällen werden gar HTML-Seiten versandt. Und sogar beim Internet Chat finden sich manchmal Verweise auf persönliche WWW-Homepages mit Bild, um dem mangelnden Kontext zu begegnen.

 

Soziale Voraussetzungen

Neben den technischen Voraussetzungen ist der Internetzugang und der Internetnutzen aber auch an soziale Bedingungen geknüpft: Zum einen muß es Provider geben, mittels derer sich ein Zugang verschaffen läßt. Solche Provider brauchen eine Menge technisches Know-How und sie investieren nur dort, wo sich ein Markt abzeichnet und Profite zu erhoffen sind.

Man kann sehr skeptisch sein, inwieweit dies in den Entwicklungsländern der Fall ist.

Fast wichtiger als die Infrastruktur der Provider ist aber etwas anderes: das Entstehen einer kritischen Masse. Und hierbei insbesondere einer lokalen kritischen Masse. Forschungen zur Telefonkommunikation, aber auch unsere eigenen Untersuchungen zur computergestützten Kommunikation verdeutlichen eindringlich, daß die Mehrzahl der medialen Kontakte durch das persönliche Kennenlernen erfolgte und das elektronische Medium die Kontaktmöglichkeiten in der Beziehung bereichert und ergänzt; häufig wird es beispielsweise genutzt, um Termine für persönliche Treffen zu vereinbaren. In Deutschland hatte BTX die kritische Masse zunächst nicht erreicht - es setzte sich erst durch, als Homebanking populär wurde. D.h. nicht nur eine kritische Masse an Personen aus dem persönlichen Umfeld muß erreichbar sein; ergänzt wird die Attraktivität des Mediums in den Industriestaaten durch eine Reihe von Dienstleistungsangeboten, die aber wiederum auf eine kritische Masse an Anschlüssen angewiesen sind. Abgesehen vom Nutzen von Informationen, die International und dann auch in Entwicklungsländern von Interesse sind, können die Menschen in Ländern der 3. Welt einen deutlich geringeren Nutzen vom Internet erwarten, als Menschen in Ländern mit einer dichteren Infrastruktur. Der Grund dafür liegt in den Übergängen: Beispielsweise ist der besondere Nutzen des Bibliothekskatalogs im Internet an die Bücher gekoppelt, die dadurch zugänglich werden. Die Bücher stehen aber in einem lokalen Regal; gleiches gilt etwa für die Pizza, auch diese wird nur lokal ausgeliefert usw.

D.h. die Bewohner Afrikas haben deutlich höhere Kosten für einen Internetzugang aufzuwenden - und dies bei offenkundig geringerem Nutzen, hinsichtlich der erreichbaren Personen aus ihrem privaten Umfeld und der abrufbaren Dienstleistungen. Noch eine weitere soziale Voraussetzung für Teilnahmemöglichkeiten kommt hinzu: eine gewisse Grundfertigkeit im Umgang mit Computern einerseits; andererseits aber auch eine Fremdsprachenkompetenz - auch dies ist in Ländern mit einer hohen Analphabetenquote keine Selbstverständlichkeit. Mit anderen Worten: Selbst wenn in Entwicklungsländern eine kleine Schicht Zugang zum Internet bekommt, ist der persönliche Nutzen, als auch der geschäftliche Nutzen zu gering, um eine Eigendynamik in Gang kommen zu lassen, die ein Wachstum und eine Verbreiterung des Zugangs erwarten läßt.

Was den technischen Zugang, die soziale Infrastruktur und die individuellen Voraussetzungen der Masse in den Entwicklungsländern angeht, kommen wir also zu keiner positiven Prognose: Die Chance für den unmittelbaren Kontakt zwischen den Menschen der ersten und der dritten Welt wird ziemlich gering bleiben.

 

Medienvermitteltes Verstehen

Wie ist es aber mit der zweiten Stufe der Verständigung, dem vermittelten Kontakt über Institutionen und Medien? Auch hierfür scheint das Internet auf den ersten Blick prädestiniert zu sein: Der weltweite Abruf von Informationen, seien es Produktangebote, wissenschaftliche Veröffentlichungen oder Zeitungen wird möglich. Und in der Tat ist das Angebot im Internet in dieser Hinsicht wirklich breit: Eine Vielzahl von Verlagen, Fernseh- und Rundfunkkanälen veröffentlicht ein Angebot auch über das Internet. Wer morgens hier in Deutschland seinen Computer einschaltet, kann eine Artikelauswahl der New York Times eher lesen, als die New Yorker diese Zeitung in ihrem Briefkasten finden.

Wenn in Afrika politische Unruhen zu vermelden sind, hören wir über die klassischen Medien nur dann etwas davon, wenn deutsche Urlauber betroffen sind oder es zu Katastrophen, wie Genoziden oder Hungersnöten kommt. Das Internet scheint hier eine Lücke zu füllen.

Diverse Befreiungsbewegungen oder Oppositionelle präsentieren sich im Internet, etwa die Polisario oder Menschenrechtler organisieren internationale Solidaritätsaktionen. Vielleicht wird es dadurch möglich, eine breitere internationale Öffentlichkeit zu mobilisieren, und Zensurmaßnahmen von Regierungen können partiell umgangen werden. Wer sucht, findet eine Reihe afrikanischer Zeitungen auch im Internet. Einige davon erscheinen im Ausland. Es drängt sich der Eindruck auf, als seien die technischen Probleme des Internetzugangs selbst für Zeitungen in Drittweltländern bislang kaum lösbar, obwohl diese doch über Medienschnittstellen aller Art verfügen müßten. Vielleicht dienen diese Informationsquellen nicht nur zur Herstellung einer weltweiten Öffentlichkeit; vielmehr scheint deren eigentliche Aufgabe der Zusammenhalt von Exilanten oder Studierenden dieser Nationen im Ausland zu sein. Interessierte Bürger der ersten Welt können sich aber dennoch dort informieren.

Ist die Chance zu gegenseitiger Verständigung dadurch wirklich gestiegen? Wir haben größere Möglichkeiten, etwas direkt aus diesen Ländern zu erfahren. Die Informationen, die wir beziehen können, sind allerdings fast ausnahmslos medienvermittelte Informationen. Die Unmittelbarkeit geht dabei verloren; es bleibt aber , und dies ist relativ neu, eine andere Sicht auf die Dinge, die vielleicht weniger Eurozentrismus beinhaltet, zu erfahren. Insofern scheint hier wirklich die Hoffnung auf Verständigung, zum besseren Verständnis berechtigt zu sein.

Allerdings - besitzen wir diese Chance ganz offenbar sehr viel einseitiger als die Menschen der dritten Welt. Wenn aber hauptsächlich eine Seite von solchen Möglichkeiten profitiert, vergrößert sich die Ungleichheit eher, als daß sie verringert würde. Bei uns können also die meisten, die wollen und Zugang haben, an aktuellere und nähere Informationen über Staaten der 3. Welt verfügen. Aber wollen sie das auch und können sie die freie Zeit aufbringen, angesichts der immer größer werdenden Informationsmenge, die auf uns einströmt? Skepsis scheint also auch hier angebracht, wenngleich auch ein wenig Zuversicht mitschwingt.

Ich möchte aber mit einem weiteren Wermutstropfen zumindest einen Teil der schwachen Hoffnung verbittern: bei Recherchen zu diesem Vortrag stieß ich auf mehrere Zeitungen aus Ghana. Eine erscheint in den Niederlanden; und zwei weitere in Ghana selbst mit einer Internetseite. Die Ausgaben waren leider nicht laufend vorhanden - es fand sich von beiden Zeitungen jeweils nur eine Woche vom Januar 1996 im Internet. Bei einfachem Durchblättern wurde ich auf einen Bericht über Vorfälle in Accra aufmerksam, bei denen es schon öfter beinahe zu Lynchmorden kam. Ganz kurz der Bericht: Es handelt sich um Hexen und Zauberer, denen nach Angaben der Zeitung die Fähigkeit zugeschrieben wird, bei anderen Menschen die Geschlechtsteile zum Verschwinden zu bringen. Immer wenn Menschen nach einer Berührung eines der Zauberkraft verdächtigten, öffentlich über eine Verkleinerung ihrer Geschlechtsteile klagten, nahm eine Menschenmenge die Verfolgung des mutmaßlichen Täters auf.

Diese Geschichte ist selbst mit dem Einfühlen in den subjektiv gemeinten Sinn, wie Max Weber Verstehen definierte, für uns nicht nachvollziehbar - zumindest nicht ohne ein viel weitergehendes Kontextwissen über mythische Vorstellungen, Religiosität, gesellschaftliche Zusammenhänge und die Bedeutung von Zauberern in Ghana. Offensichtlich existieren in Ghana Regeln, die zum Verstehen nötig sind, die wir aber nicht kennen. Modernisierungstheoretiker, etwa Anthony Giddens sehen in der Entbettung, dem Herauslösen der Menschen aus ihrem Herkunftsbezug einen wesentlichen Meilenstein der Moderne. Offensichtlich wird jedoch an diesem

Vorfall, daß man in die Gesellschaft eingebettet sein muß, um die Furcht der Menschen auf dem Markt in Accra nachvollziehen zu können. Wie ich schon gesagt habe, handelt es sich beim Internet um ein kontextarmes Medium, in dem zwar Fakteninformationen übertragen werden, normalerweise aber kein Regelwissen zur Verfügung gestellt werden kann. Wahrscheinlich wäre dies auch gar nicht ohne weiteres vermittelbar - dieses wird auch bei uns individuell erworben, es gehört in weiten Teilen in den Bereich des "tacid knowledge", dem nicht explizierbaren intuitiven Wissen. Überspitzt formuliert könnte man gar befürchten, daß nicht speziell für uns aufbereitete Informationen, bei denen der Zusammenhang und die Hintergründe erläutert werden, möglicherweise unser Unverständnis eher fördert, als zu überwinden hilft.

 

Verständigung zwischen Experten

Wie ist es mit der dritten Ebene, der Verständigung zwischen Experten und Regierungsvertretern? Mir scheint, als seien auf dieser Ebene die größten Chancen des Internet zu finden. Entwicklungshilfeorganisationen und Regierungsstellen verfügen am ehesten über die Technik, um Hilfeleistungen zu koordinieren. Experten des gleichen Sachgebietes untereinander bilden eine Gemeinschaft und teilen zumindest auf der professionellen Ebene die selben

Werte. Die Codes zur Verständigung können wirklich in weiten Bereichen über den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext hinaus verstanden werden.

Allerdings sollte auch hier die Euphorie nicht zu hohe Wellen schlagen, denn Kooperationsbeziehungen wollen auch ausgehandelt sein - und für Aushandlungen ist das Internet nicht gerade gut geeignet. Und selbst dort, wo nach vermeintlich den selben Regeln gehandelt wird, etwa im ökonomischen System, sind die Schwierigkeiten oftmals fast unüberwindbar. So scheiterten viele deutsche Unternehmen in China und Japan, weil sie das komplexe System der Referenzen nicht verstanden hatten. Sicher sind Mißverständnisse auf dieser Ebene als einer der Gründe für das häufige Scheitern von Entwicklungshilfeprojekten anzusehen.

Insbesondere für Afrika ist die Prognose schlecht - in einem etwas anderen Licht erscheinen viele Schwellenländer. In Indien und Thailand beispielsweise sind partiell bessere infrastrukturelle Voraussetzungen gegeben. Dort ergeben sich in eng abgegrenzten Bereichen wirtschaftliche Chancen, aber auch Chancen zu gegenseitiger Kontaktaufnahme - auch wenn, und darüber muß man sich im Klaren sein, dies eher die Ausnahme als die Regel bleiben wird.